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kant herder

                  „Der Mensch ist der erste Freigelassene der 
                  Schöpfung; er stehet aufrecht."
 
                  - Herder
                 

                  „Daher möchte wohl, was ihm [Herder]  
                  Philosophie der Geschichte der Menschheit 
                  heisst,
etwas ganz Anderes seyn, als man 
                  gewöhnlich unter diesem Namen versteht.“

                  - Kant

Das Forschungsprojekt Streitfall: "Mensch" wird von der Fritz Thyssen-Stiftung finanziert. Es hat im April 2012 seine Arbeit aufgenommen und ist zunächst auf zwei Jahre angelegt. Hauptverantwortlich betreut wird es durch Herrn Prof. Dr. Christian Bermes; Bernd Straßburg M.A. ist wissenschaftlicher Mitarbeiter.
Anders als der überwiegende Teil der philosophischen Forschung konzentriert sich das Forschungsvorhaben nicht auf eine bestimmte Schule, einen bestimmten Autor oder ein bestimmtes Werk, sondern es findet seinen Zugang bei den Kontroversen, in die Philosophen unterschiedlichster Überzeugungen verstrickt waren. Das Forschungsinteresse gilt insbesondere den Themen und Argumenten dieser Auseinandersetzungen sowie der Frage, inwiefern sie durch die jeweiligen philosophischen Grundpositionen vorherbestimmt waren. Vier historische Kontroversen, die im Umfeld der Philosophischen Anthropologie geführt wurden, stehen im Mittelpunkt der Untersuchung:
 
Es geht zunächst um den Streit zwischen Johann Gottfried Herder und Immanuel Kant. Kant rezensierte den ersten und den zweiten Teil von Herders Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Beide Rezensionen stellen einen Verriss dar. Herder revanchierte sich einige Jahre später und verfasste gegen Kants Kritik der reinen Vernunft die Metakritik, die ebenfalls auf eine vollständige Ablehnung hinausläuft. Zu berücksichtigen sind auch die Schriften von Personen, die am Rande dieses Streites stehen, wie etwa Carl Leonhard Reinhold, der eine Gegenrezension zur ersten Rezension Kants schrieb, oder Johann Georg Hamann, der ebenfalls eine Metakritik gegen die Kritik der reinen Vernunft formulierte, mit Herder befreundet war und dessen Schrift mit inspiriert haben dürfte.


Als zweites soll die Auseinandersetzung zwischen Ludwig Feuerbach, Karl Marx und Max Stirner untersucht werden. Für alle Beteiligten stellt Hegel den Ausgangs- und Abstoßungspunkt ihres jeweiligen Denkens dar. Feuerbach entwickelt in Das Wesen des Christentums eine anthropologische Religionskritik, die wichtige Impulse für die Entwicklung des Denkens von Marx lieferte. Gleichzeitig kritisiert Marx bestimmte Defizite im Feuerbachschen Denken, etwa dass er das Handlungsmoment des Menschen völlig vernachlässigt habe und seine Begriffsführung verdinglichend sei. Eine ähnliche Kritik lässt sich von Stirner vernehmen. In Der Einzige und sein Eigentum entwickelt er eine radikal egoistische Theorie. Feuerbach rezensiert das Buch, worauf Stirner in einer Replik antwortet; auch Marx äußert sich in der Deutschen Ideologie dazu, sehr polemisch und sehr abweisend.

 
An dritter Stelle stehen Max Scheler, Martin Heidegger und Helmuth Plessner. In kurzer Abfolge erschienen 1927/28 Schelers Stellung des Menschen im Kosmos, Heideggers Sein und Zeit sowie Plessners Die Stufen des Organischen. Damit stehen zwei Grundlegungen einer Philosophischen Anthropologie und Heideggers Fundamentalontologie in unmittelbarer Konkurrenz. Obgleich Heidegger zunächst dem anthropologischen Unternehmen nicht abgeneigt war -- Edmund Husserl hielt ihn selbst für einen Anthropologen -- und obgleich er Scheler als Philosophen sehr schätzte, formulierte er kurze Zeit später in Kant und das Problem der Metaphysik eine grundsätzliche Kritik an der neuen philosophischen Disziplin. Scheler konnte aufgrund seines frühen Todes nicht mehr reagieren. Erst 1973 kommt Plessner auf die Konkurrenzsituation zurück und kritisiert in Der Aussagewert einer Philosophischen Anthropologie nun seinerseits den Heideggerschen Ansatz. Bemerkenswert ist, dass sowohl Heidegger als auch Plessner versuchen, ihren eigenen Ansatz als substantieller auszuweisen und die gegnerische Position in diesem Sinne für sich zu vereinnahmen.

feuerbach marx

               „Der Hauptmangel alles bisherigen Materialismus 
               (den Feuerbachschen mit eingerechnet) ist, daß 
               der Gegenstand, die Wirklichkeit, Sinnlichkeit nur
               unter der Form des Objekts oder der Anschauung
               gefasst wird; nicht aber als sinnlich menschliche 
               Tätigkeit, Praxis, nicht subjektiv. […] 
               Die Philosophenhaben die Welt nur verschieden 
               interpretiert, es kömmt drauf an, sie zu verändern.“

               - Marx

scheler heidegger plessner

             „Ursprünglicher als der Mensch ist die Endlichkeit 
             des Daseins in ihm.“
             - Heidegger
             

             „Leben birgt als eine seiner Möglichkeiten Existenz“
             - Plessner

Die vierte Debatte, die in diesem Forschungsvorhaben berücksichtigt werden soll, findet zwischen Theodor W. Adorno und Arnold Gehlen statt. Abgesehen von Adornos Kritik einer jedweden Form von Anthropologie, die er in der Negativen Dialektik formuliert, liegt das Hauptaugenmerk der Untersuchung auf einem Streitgespräch, das für eine Radiosendung aufgezeichnet wurde, sowie einem Briefwechsel, der dieses Zusammentreffen begleitete. Die intellektuellen Voraussetzungen beider sind sehr ähnlich: Beide sind Soziologen, beide sind an der Kunst interessiert und beide sind durch und durch pessimistisch eingestellt. Es ist daher bemerkenswert, zu welch unterschiedlichen Schlüssen beide kommen: Während Gehlen einem Konservativismus anhängt, der Stabilität und Sicherheit in einer krisenhaften Zeit garantieren soll, ist Adorno auf gesellschaftliche Veränderung aus, die in eine menschenwürdige Zukunft führen soll.

 


Diese historischen Untersuchungen ermöglichen es, in einem zweiten Schritt bestimmte Vergleiche zu ziehen. An allen Kontroversen sind Vertreter der Philosophischen Anthropologie beteiligt. Aber auch zwischen den Gesprächspartner, etwa zwischen Kant und Heidegger sowie zwischen Marx und Adorno lassen sich Tradierungszusammenhänge feststellen. Es lohnt sich daher zu fragen, inwieweit die Themen und die Argumente perennieren bzw. sich verändern. Damit ist auch die Frage verbunden, ob sich philosophische Traditionen gegenseitig beeinflussen oder sich wie monolithische Blöcke aneinander reiben.

"Herr Adorno, da sind wir nun genau an dem Punkt,  wo Sie ja und ich nein sage oder umgekehrt; wo ich also sagen würde, alles was man vom Menschen seit je bis heute weiß […] würde dahin weisen, dass Ihr Standpunkt ein anthropologisch-utopischer, großartiger Standpunkt ist, und dass ich mit ihm nicht arbeiten kann, weil ich ihn nicht denken kann."
- Gehlen


"Herr Gehlen, so fürchterlich utopisch ist das gar nicht. Ich als Kritiker der Entlastung -- und Sie als Advokat der Entlastung -- würde sagen, die Not, die die Menschen zu diesen Entlastungen treibt, ist gerade die Belastung, die ihnen von den Institutionen […] angetan wird."
- Adorno

          

gehlen adorno

raus!